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Die beste aller Welten


Das größte Hemmnis in der Forschung, die furchtbarste Plage für einen Wissenschaftler, der täglichen Alptraum: Bürokratie. Kein Zweifel. Immer abenteuerlichere Abläufe und Formulare für einfachste Bestellungen, kleinteiliger Stundennachweis in Forschungsprojekten, Excel-sheets mit Leistungskosten für jeden Handgriff, Bewertung von Wissenschaft nach Kennzahlen, Abrechnungen von Dienstreisen, bei der Neid und Missgunst Antrieb für grenzenlose Schikanen zu sein scheinen. Hier verraucht Energie, die in die Forschung gehen sollte, gleich zweifach. Einmal im bürokratischen Prozess und dann im lange nachklingenden Ärger darüber. Die Folge ist eine Einstellung zur Verwaltung, die mit dem Wort ‚skeptisch’ deutlich zu wohlwollend beschrieben ist.
Natürlich sind das zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein können. Wissenschaft befasst sich mit dem Ungewissen, dem Ungewöhnlichen, sie sucht nach dem Widerspruch und dem Abweichen vom vorher geplanten Pfad. Verwaltung arbeitet hingegen am liebsten an Standards, strukturiert das Berechenbare, definiert Prozesse und strebt Routine an - sie hasst die Überraschung. Gleichzeitig wird von der Forschung größtmögliche Sichtbarkeit und maximaler Impact gefordert, während die Verwaltung desto besser ist, je weniger man von ihr sieht. Rampenlicht auf der einen, Schattendasein auf der anderen Seite.
Offensichtlich ist Wissenschaft mit Verwaltung nicht vereinbar. Wissenschaft und Verwaltung stoßen sich geradezu ab. Der Widerspruch ist offenbar. Es kann gar keine Wissenschaftsverwaltung geben. Schon das Wort müsste, kaum zu Papier gebracht, spontan zerfallen.
Es ist bezeichnend, dass der damalige DFG-Präsident Hubert Markl zur ersten Verleihung des Leibniz-Preises 1986 von ‚märchenhafter Freiheit’ für die Ausgezeichneten sprach. Denn sie bekommen 2.5 Millionen Euro Preisgeld nicht für ein Haus, ein Auto oder ein Leben am Pool. Sondern für bis zu sieben Jahre ungeahnter Freiheit: Tag und Nacht forschen, Wochenenden im Labor, harte Diskussionen, experimentelle Rückschläge, Anfeindungen, Konkurrenz und seltene Durchbrüche. Forschen nach eigenen Vorstellungen und frei von bürokratischem Aufwand. Märchenhaft in der Tat.
Es ist ja die Enge der bürokratischen Vorschriften, die die Freiheit der Wissenschaft bedroht – nicht unbedingt die Verwaltung. Nur befassen sich Wissenschaft und Verwaltung zu oft und zu intensiv miteinander und machen sich das Leben schwer. Sie sollen das gar nicht. Verwalter sollen keine Wissenschaft strukturieren und Wissenschaftler sollen nicht verwalten. Sie sollen ganz unterschiedliche Probleme lösen. Bei wachsenden Forschungs-Infrastrukturen und dem Arbeiten mit öffentlichen Mitteln ist ein Administrieren der Wissenschafts-unterstützenden Prozesse dringend notwendig. Das Regelwerk, das unausweichlich anhängt, sobald man mit großen Summen öffentlichen Geldes, mit Personalverantwortung und drohenden Prüfungen durch Zuwendungsgeber und Rechnungshof  arbeitet, ist notwendige Bürokratie. Da Bürokratie aber inhärent zu Metastasenbildung neigt, braucht Forschung eine effiziente Verwaltung, die das Forschen unterstützt, indem sie jegliche bürokratische Böe von der Forschung fernhält. Sie tut das, indem sie Infrastrukturen administriert und die bürokratischen Erfordernisse des komplexen Wissenschaftsbetriebs ebenso bedient, wie sie im Sinne der Wissenschaft dann aber auch Anforderungen definiert, formale Auswüchse korrigiert, bürokratische Zellteilung reguliert und Bürokratie-ästhetische Absurditäten selbstbewusst ausbremst. Wenn sie es schafft, die legitimen bürokratischen Anforderungen zu befriedigen, dabei aber wissenschaftsfremde Tätigkeiten weitgehend von den Wissenschaftlern fern zu halten und selbst nahezu unsichtbar zu bleiben, dann ist sie ein wertvolles Instrument für den Wissenschaftsbetrieb. In diesem Idealfall können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle Energie auf das verwenden, was sie am besten können: forschen. Eine märchenhafte Situation wie es sie im wirklichen Leben nur ganz selten gibt. 

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